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12 сентября 1997 г.
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Süddeutsche Zeitung
Hitler ist besser als Mutter Maria
Reinhard J. Brembeck
Nazi-Witwe fühlt sich durch Helnwein-Bühnenbild verunglimpft
"Wir werden eine Zensur dieses Stückes durch NS-Nachfahren nicht hinnehmen." In der Muffathalle brodeln die Emotionen. Denn die für den kommenden Donnerstag angesetzte Premiere von Heiner Müllers "Hamletmaschine" scheint gefährdet. Weil Gottfried Helnweins Bühnenbild für die Schlußszene einen geradezu absurden Rechtsstreit auszulösen droht. Denn Ingeborg Wünsche, die Witwe des im Bild "Epiphanie" vorne links stehenden Mannes in Naziuniform mit SS-Runen sowie Totenkopf auf der Mütze, fühlt durch dieses Gemälde Helnweins ihre Persönlichkeitsrechte "im äußersten Maße verletzt". Sie nennt das Bild "Fälschung". Fälschung eines Photos, das Helnwein in den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek entdeckt hat. Dort sieht man statt Mutter Maria mit Kind Adolf Hitler. Dieses Originalphoto zu veröffentlichen, das ihren Mann mit dem größten Schlächter der Menschheitsgeschichte zeigt - dagegen hätte Ingeborg Wünsche nichts einzuwenden. Hitler jedoch durch Mutter mit Kind ersetzt zu sehen, das geht für sie zu weit. Schließlich könnte man da eine Art Kinderbegutachtung und Rassenwahn hineininterpretieren und das will Frau Wünsche auf keinen Fall.
So zumindest hat sie es Muffathallenchef Dietmar Lupfer am Telephon erklärt. Doch für die Redaktion war Frau Wünsche nicht erreichbar, weil sie ihr Telephon durch Faxgerät ersetzt hatte und auch nicht auf ein Fax reagierte.
Bis heute läßt Ingeborg Wünsche den Muffathallenbetreibern Zeit, eine Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie darauf verzichten, jenes Helnwein-Gemälde zu verwenden, das als Bühnenbild auf acht mal fünf Meter vergrößert erscheint. Sonst werde sie eine einstweilige Verfügung gegen die Produktion erreichen. "Wir können ihrem Wunsch nicht entsprechen," formuliert Dietmar Lupfer die Position der Muffathalle. Schließlich liefe es auf Zensur hinaus, wenn die Produzenten den Künstlern vorschreiben würden, was passiert und was nicht.
Besonders Regisseur Gert Hof ist in diesem Punkt allergisch. Noch kurz vor dem Fall der Mauer sollte er in der DDR noch ein Verfahren bekommen wegen "staatsfeindlichen Inszenierens". Aber er habe sich damals nichts verbieten lassen und würde sich auch heute nichts von einer Nazi-Witwe verbieten lassen.
Helnweins Bild paßt wunderbar in Müllers "Hamletmaschine". Thema ist laut Gert Hof, "wie ein Mensch sozial platt gemacht wird". Es geht um die Entindividualisierung eines Unangepaßten, die in Selbstverleugnung endet, im Wunsch, nicht mehr Hamlet, sondern eine Maschine sein zu wollen, die reibungslos funktioniert. In diesen Zusammenhang paßt bestens, daß die Extremtrommler der "Tambours du Bronx" den brachialmusikalischen Teil übernehmen. Gegen Ende spricht Ophelia im Namen Elektras, im Namen einer Mutter die ihre Kinder vernichten will: "Wenn sie mit Fleischmessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen." Und dazu Helnweins Naziparodie als ironischer Kommentar.
Die Muffathalle reagiert auf die angedrohte einstweilige Verfügung mit einer Schutzschrift, die die Gerichte davon abhalten soll, allzu eilfertig in dieser Frage zu entscheiden. Trotzdem ist der Ausgang offen. Auch wenn das Muffatteam äußerst entschlossen ist, die bereits zu den Berliner Festwochen eingeladene Aufführung gegen alle Widerstände zu zeigen. Denn Zensur ist einfach nicht drin.




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